Ein Mainpaddler am Bodensee
Alles begann im Sommer 2016. Auf einer Schwedenfreizeit des Bundes deutscher Pfadpfinder (BDP) bekam ich die Empfehlung zu einem Bundesfreiwilligendienst beim Verein für sozialpädagogisches Segeln. Im Mai 2017 zum ersten Mal am Bodensee, gefiel es mir dort so gut, dass klar war: da muss ich hin! Groß geworden im hessischen Frankfurt am schönen Main, hatte ich von Grund auf wenig Bezug zum Segeln. Irgendwann hat es mir die Schifffahrt angetan, teilweise mehrmals am Tag oder stundenlang stand ich mit Kamera bewaffnet am Main. Es entstand ein Bildarchiv mit Aufnahmen von mittlerweile über 2.000 Binnen- und Seeschiffen. Daraufhin begann ich das Kajak fahren auf Main und Nebenflüssen, die Höchster Mainfähre und das Bootshaus des Kanuclubs wurden mein zweites Zuhause. Der Bezug zum Wasser war gegeben. In meinem Paddelverein engagierte ich mich als Jugendtrainer für den Nachwuchs im wöchentlichen Hallenbadtraining, die Arbeit mit Kindern und Kindergruppen hat mir immer Freude bereitet.
Beim Skippertraining vergangenes Jahr lernte ich die VSS-Kutter kennen, „fahrendes Kulturgut“, wie sie am Oldtimersteg der Interboot-Messe in Friedrichshafen genannt werden. Seitdem bin ich großer Fan von ihnen, am meisten von dem JULIUS, unserem Friedrichshafener Außenposten-Schiff.
Bodenseeschifferpatent bestanden und im September die erste Gruppe geskippert. Viel Verantwortung trägt man für Schiff und Besatzung, Manöver fahren fordet Konzentration. Allerdings: man bekommt viel zurück. Da heißt es „Max, darf ich wieder den Ausguck machen?“ oder „ich will die Flagge hochziehen!“ Und diese Begeisterung gerade der acht- bis zwölfjährigen gibt mir sehr viel – Schiffe und Schiff fahren sind eben spannend! Doch nicht nur das. Segeln erfordert Teamarbeit, da müssen alle zusammenarbeiten, um das Schiff zu bewegen. Man kann manchmal direkt beobachten, wie eine Gruppe dadurch zusammenwächst. Jeder Törn soll ein schönes Erlebnis für die Gruppe werden, bei dem jeder Freude hat. Dafür zu sorgen ist für mich eine wunderbare und spannende Aufgabe. Der Überlinger See fasziniert die meisten, mich inbegriffen. Junge wie Erwachsene sind von dem satten türkisblau nördlich des Bodanrücks jedesmal beeindruckt. Im Sommer steht der flache Badestrand am Klausenhorn hervorragend als morgendlicher Wachmacher zur Verfügung nachdem man im Materialzelt, meinem Lieblingszelt, aufwacht. An das Campingplatzleben gewöhnt man sich schnell, es herrscht durchgehend Urlaubsstimmung. Erwähnenswert ist auch, dass unsere Gruppen dafür zuständig sind uns Skipper und Bootsleute vom Verein essenstechnisch mitzuversorgen. Eine sehr vernünftige Regelung, wie ich finde, denn ohne Essen geht gar nichts.
Einen Bufdi beim VSS zu leisten, bedeutet vor allem vielseitig zu arbeiten. Innerhalb der Saison zählt gute Seemannschaft auf dem Wasser gleichermaßen wie Einhaltung der Nachtruhe auf dem Campingplatz. Außerdem lernt man, eine Gruppe zu führen, nicht umsonst lautet der Fachausdruck für Skipper „Schiffsführer“. Das sind interessante Erfahrungen, da man ein gewisses Selbstbewusstsein mitbringen – oder erlangen – muss, um eine erfolgreiche und für alle zu genießende „Seefahrt“ zu ermöglichen. Kochen zu können ist auch nicht schlecht, denn manche Gruppen können das zwar einwandfrei, andere dafür kaum. Spätestens beim Zeltabbau im Frühherbst weiß man dann auch alles über Hochdruckreinigeraufsätze, Wohnwagenräderventile, Zeltabspannung mittels Spanischer Talje (ein überaus praktischer und haltbarer Knoten), Anhängerkupplungen und die Bedienung von Spanngurträtschen. Der Winter bleibt natürlich nicht ungenutzt: die Schiffe sollen ja nächstes Jahr nach was aussehen! Angefangen mit Baumarbeiten in der Scheuneneinfahrt über Zeltaufbau und -verspannung bis hin zu Schiffe kranen und auf dem Boots-Trailer zur Scheune verholen. Die Arbeit in der Scheune macht fast immer Spaß, am besten finde ich Streichen und Schleifen, da kann man am Ende nämlich sehen beziehungsweise fühlen, was man gemacht hat. Aber auch im Winterlager sind die Arbeiten sehr verschieden. Holz einölen, entlacken mit der Heißluftpistole und Epoxy kleben gehört genauso dazu wie Schiff staubsaugen, Segelsäcke nähen und Tauwerk spleißen. Die Stockacher Scheune ist also eine vereinseigene, kleine Werft. Zur schönsten Zeit des Tages ruft Thomas ganz laut und unverkennbar: „MIDDACH!!“ Dann gibt’s das wohlverdiente und heiß erwartete Mittagessen, Brot mit Käse reicht völlig aus.
Jeden Tag in der Scheune, mit den Kindern beim Segeln oder in meinem eigenen Kajak auf dem Bodensee stelle ich fest, dass ich keine bessere Entscheidung hätte treffen können, als mich beim VSS als BufDi zu bewerben. Jedem, der sich besonders mit dem Wasser verbunden fühlt, der gerne mit Kindern arbeitet und gleichzeitig einen schönen Ort erleben möchte, lege ich ans Herz, hier einen Bundesfreiwilligendienst zu absolvieren.
In Zukunft will ich ganz weit raus. Nach meinem BufDi studiere ich Nautik in Elsfleth an der Weser, um als Kapitän zur See zu fahren. Der Bodensee ist erst der Anfang!
Max Wolter